Ist eine feministische Außenpolitik denkbar für die Europäische Union? Dr Toni Haastrup
In den letzten Jahren hat die Europäische Union einige feministische Prinzipien in ihrem Vorgehen hinsichtlich ihrer Innen- und Außenpolitik angenommen. Die Miteinbeziehung des Feminismus in politische Strategien kann dabei helfen, die Aufmerksamkeit auf Ungleichheiten im wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben einer Gesellschaft, in diesem Fall der EU, zu lenken.
Dadurch wird auch ein verstärktes Augenmerk auf die gelebten Erfahrungen von Frauen, Mädchen und geschlechtlichen Minderheiten im Heimatland und im Ausland gerichtet. Diese stärkere Miteinbeziehung des Feminismus wurde sowohl durch interne Triebkräfte als auch externe Bemühungen bewerkstelligt, die in dieser Vorlesung näher beleuchtet werden. Obwohl die Miteinbeziehung feministischer Prinzipien ein wichtiger Fortschritt in der politischen Gestaltung der Außenbeziehungen darstellt, insbesondere durch die Entwicklung der Gleichstellungspolitik für den globalen Süden, verbleiben noch tote Winkel, die an der Glaubhaftigkeit des übergeordneten Feminismus der EU zweifeln lassen. Haastrup argumentiert in ihrer Vorlesung dafür, den Feminismus als eine Sichtweise zu verstehen, die über die Geschlechtergerechtigkeit, einem Bereich, in dem die EU eindeutig eine führende Rolle einnimmt, hinausgeht. Die Gleichstellung der Geschlechter ist eine wichtige und notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine feministische Außenpolitik. Die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit als Synonym für eine „feministische“ Außenpolitik zu betrachten, ohne die moralischen und ethischen Verpflichtungen zu erfüllen, die letztere bedeutet, untergräbt nicht nur das transformative Potenzial des Feminismus, sondern auch seine Bedeutung und seinen Ruf als treibende Kraft des Friedens und der Sicherheit im globalen Süden.
Melden Sie sich hier zum Online-Event an
Dr. Toni Haastrup ist Dozentin für internationale Politik an der Universität Stirling, Schottland. Als feministische Forscherin und Dozentin versucht sie, durch ihre Arbeit, die vorherrschenden globalen Machthierarchien, die innerhalb des internationalen Systems Zusammenarbeit und Konflikte bedingen, zu verstehen. Ihre Arbeit befasst sich mit dem Erkenntnisgewinn im Kontext der Perspektiven von Frauen, Frieden und Sicherheit und dem globalen Süden auf die feministische Außenpolitik und die geschlechtsspezifische und radikalisierte Natur von Reaktionen auf zeitgenössische Krisen. Dr. Haastrups derzeitige Forschungsarbeit untersucht unter feministischen Gesichtspunkten die Außenpolitik der Akteure des globalen Nordens im globalen Süden, insbesondere im Hinblick auf die Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit. Ein Großteil ihrer Arbeit konzentriert sich dabei auf Maßnahmen der offiziellen Institutionen, wie beispielsweise die der Afrikanischen Union und der Europäischen Union. Zu jedem dieser Themengebiete hat sie zahlreiche Publikationen verfasst. Dr. Haastrup ist Chefredakteurin der wissenschaftlichen Zeitschrift Journal of Common Market Studies. Sie ist eine erfahrene Rednerin und betätigt sich gelegentlich als Medienberichterstatterin.
Moderiert von Prof. Agnieszka Graff, außerordentliche Professorin am Zentrum für amerikanische Studien der Universität Warschau, Polen. Prof. Graff ist eine feministische Aktivistin und öffentliche Intellektuelle, veröffentlicht regelmäßig Beiträge in den liberalen Medien und hat vier Bücher mit feministischen Aufsätzen auf Polnisch verfasst, darunter Świat bez kobiet (Welt ohne Frauen) und Matka feministka (Mutter und Feministin). Sie ist aktive Teilnehmerin des polnischen Frauenkongresses.
Einführung von Dr. Constanze Itzel, Museumsdirektorin des Hauses der Europäischen Geschichte.
Vor dem Hintergrund der Konferenz zur Zukunft Europas organisiert das Haus der Europäischen Geschichte (HEH) vom 22. Juni 2021 bis zum 19. Juli 2022 eine Online-Vorlesungsreihe mit dem Titel „Envisioning Europe“. Dabei wird das Museum Gespräche mit zwölf bekannten Historikern führen, um Erkenntnisse über die Vergangenheit und Gegenwart Europas auszutauschen. Auch Stimmen von außerhalb Europas tragen mit ihren externen Perspektiven zur Kontextualisierung dieses Dialogs bei. Zu jeder Vorlesung gibt es eine moderierte Fragerunde.